Interview:
Christian Tiedemann: "Sorrell hat das Ohr auf der richtigen Schiene"
PIA-CEO Christian Tiedemann hält den Weg von Martin Sorrell für absolut richtig. Kein Wunder, schließlich verfolgt der Ex-WPP-CEO einen ähnlichen Ansatz. Das Interview.
Es ging schnell. Wenige Monate nach dem Ausscheiden bei WPP, will Ex-CEO Martin Sorrell wieder im Markt mitmischen. Mit seiner neuen Holding S4 Capital übernahm er die Tage die niederländische Digitalagenturgruppe Mediamonks. Christian Tiedemann, CEO der Performance Interactive Alliance (PIA), hält den Weg von Sorrell für absolut richtig. Kein Wunder, schließlich verfolgt er einen ähnlichen Ansatz.
Herr Tiedemann, für den Neustart hat Sir Martin Sorrell drei Monate gebraucht. Kaum war er den CEO-Posten bei WPP los, schon hatte er eine neue Holding gegründet und mit der digitalen Produktion Mediamonks die erste Agentur gekauft. Völlig verrückt, oder?
Ja, das Timing ist extrem sportlich. Mich wundert, dass der Kauf von Mediamonks prozessual so schnell über die Bühne gehen konnte. Offenbar geht es Sir Martin darum, ein schnelles Ausrufezeichen im Markt zu setzen. Wahrscheinlich ist angesichts der schnellen Umsetzung aber auch, dass sich die Wege von Sir Martin und WPP einvernehmlich getrennt haben.
Sie haben lange für Sorrell gearbeitet. Ist es realistisch, dass er den Markt aufmischt?
Sir Martins Track-Record spricht für sich. Er weiß sehr genau, was er tut, und kennt durch seine Top-C-Level-Vernetzung die Bedürfnisse der großen internationalen Kunden. Hinzu kommt ein globaler Anlage-Notstand. Marktgerüchten zufolge laufen sich diverse Finanzinvestoren warm, WPP-Teile zu übernehmen. Nur, die Gruppe ist zu unbeweglich geworden und muss sich neu erfinden. Für maßgeschneiderte, kleinere konsolidierte Kompetenzangebote ohne bürokratischen Overhead gibt es dagegen großes Potenzial. Sir Martin hat vermutlich ein agiles System im Kopf und wird sich auf Kernmärkte beziehungsweise Hubs konzentrieren. Digitales Marketing funktioniert eben unabhängig von Standorten.
Das Argument der Holdings war immer die Einkaufsmacht im Mediabusiness. Zählt das heute nichts mehr?
Richtig, es geht künftig nicht um Purchase Power, sondern um Purchase Intelligence. Die eindimensionale Optimierung auf Nachkommastellen ist zu kurz gedacht, entscheidend sind integrierte Lösungen im Dreiklang Audience Management, Data und Content.
Aber reicht eine Produktion als Basis? Entscheidend war doch stets, dass eine Agentur eine Leadfunktion einnimmt?
Mit der Übernahme von Hogarth hat Sir Martin eine rasant wachsende Marketing-Implementierungsagentur zu WPP addiert. Hogarth übernimmt Leadfunktionen und managed mit eigener Technologie den Workflow zwischen Kunde und Agenturen. Signifikante Kosteneffekte entstehen durch Fokussierung auf wenige Dienstleister und Verringerung der Komplexität von Koordination und Steuerung. Spezialisten wie Mediamonks liefern dafür die technologische Basis und bilden somit ein Fundament für eine neue Ära. Denn die Produktionsplattform der Zukunft konsolidiert kreative Power mit Media, Data und Technologie-Knowhow.
Irgendwie dürfte Ihnen das alles bekannt vorkommen.
Ja. PIA verfolgt im Kern den gleichen Ansatz. Wir konsolidieren hochkarätige Digital-Dienstleister für datengetriebenes Marketing entlang der Customer-Journey. Mit unseren mittlerweile zehn Unternehmen bieten wir Kunden Media-, Data- und Content-Know-how unter einem Dach. Wir verbinden darüber hinaus Onlinemarketing mit CRM. Das PIA-Modell hat sicher Vorbildcharakter. Auch bei uns stehen die drei Themen im Zentrum, die Sorrell treiben: Media, Data und Content. Sorrell schaut auch auf Deutschland. Ich bin gespannt, in welche Richtung er hier gehen will.
Hat er sich schon bei Ihnen gemeldet?
Nein, wir hatten leider in letzter Zeit keinen Kontakt. Als WPP-Chef hat er stets großes Interesse am deutschen Markt gezeigt und es kürzlich in einem Interview nochmals bekräftigt. Meiner Ansicht nach kommen hier nur wenige Digital-Gruppen infrage, die die von ihm formulierten datengetriebenen Marketing-Anforderungen realistisch erfüllen könnten.
Der Aufbau einer Holding ist eine Sache. Aber wie nachhaltig kann sein Holding-Konstrukt sein, Sorrell ist 73?
Ziehen Sie zehn Jahre ab. Sir Martin ist topfit, brillant vernetzt und hat sein Ohr auf der Schiene. Wie bei WPP ist er die alles dominierende Person im S4-Capital-Konstrukt. Was in 15 Jahren ist? Dann ist selbst er vermutlich nicht mehr der Kapitän. Aber sehr wahrscheinlich sehen wir gerade die Geburt eines neuen, disruptiven Angebots. Ich bin und bleibe sehr gespannt.
Diese und weitere Agenturthemen lesen Sie im aktuellen Kontakter, Nr. 16.